Der Bahnhof Jasnitz

Die Anfänge

Die Geschichte der Bahnstrecke Hamburg-Berlin, an dessen Bahnkilometer 180.6 der Bahnhof Jasnitz liegt, beginnt 1840. In jener Zeit der Industrialisierung wuchs der Bedarf an Transportmöglichkeiten so stark, dass ihn Fuhrwerke nicht mehr bedienen konnten. Selbst die schnellsten Postkutschen benötigten von Hamburg nach Berlin 30 Stunden – indiskutabel für die aufstrebende Industriegesellschaft.

Bahnhof Jasnitz Zustand 2009

Eine Handvoll Kaufleute und Bankiers gründete 1840 die „Berlin-Hamburger-Eisenbahn- Aktiengesellschaft“. 1844 fand in Ludwigslust der erste Spatenstich statt, und bereits am 12.12.1846 nahm die erste deutsche Fernstrecke ihren Betrieb auf. Die Fahrzeit des ersten Zuges: 9 Stunden mit einer Geschwindigkeit von 30 km/h.

Zu dieser Zeit waren Hagenow Land und Ludwigslust die einzigen Haltepunkte in der Region. Nachdem sich der Schulze von Picher wegen eine Haltepunktes an die Regierung gewandt hatte, nahm der zuständige Ministerialdirektor Brandt Gespräche mit dem Vorstand der Berlin-Hamburger Eisenbahn AG auf. Sein „gehorsamster Bericht“ vom 30.3.1874 ist im Landesarchiv erhalten.

Der Vorstand der Gesellschaft sah für die Einrichtung einer Haltestelle wenig Anlass, weil diese wegen der „geringen Bevölkerung, der es an Industrie fehle und die nur Producte des Landbaues in nicht sehr erheblichen Maaße erzeugen“ würde, wenig Profit versprach. Aber „mit Rücksicht auf den persönlichen Verkehr des Großherzoglichen Hofes mit dem Großherzoglichen großen Wildgarten zu Jasnitz“ sei man auf Anforderung gerne bereit, die Frage des Haltes einer eingehenden Prüfung zu unterziehen“ Brandt fragte nach, ob er in Verhandlungen eintreten durfte. Er durfte.

Zwischen 1874 und 1877 wird der Haltepunkt Jasnitz mit einem Empfangsgebäude geschaffen. Der Urbahnhof ist ein streng symmetrischer Ziegelbau ohne den Anbau an der Westseite und ohne Güterschuppen an der Ostseite. Das Obergeschoß ist als Fachwerk aufgesetzt. Die Dachkonstruktion mit dem Kreuzbalken unter dem Giebel ist heute noch original. Es fehlt allerdings das Symbol der Bahn, das Flügelrad, welches damals stolz auf den Giebelecken prangte. Auch der Turm über dem Treppenhaus an der Nordseite ist nicht mehr erhalten. Die unterschiedliche Ziegelfärbung zeigt heute noch, wo er ansetzte.

Ab April 1885 gehörte der Bahnhof Jasnitz offiziell zur Königlichen Eisenbahndirektion Altona. Hier setzten die Schweriner Archivbestände ein. Die Karten aus jener Zeit verzeichnen ein „Empfangsgebäude“, gelegen am „Bahnhof 3. Klasse“. Viel Ehre für ein Dorf mit 43 Einwohnern, aber um bei der Wahrheit zu bleiben: ohne Hirsche kein Bahnhof.

 

Plan: Kopie aus Sammlung P.Falow

Östlich des Bahnhofs etwa bei Bahnkilometer 180.2 entstand ein Stellwerksgebäude aus Ziegelstein mit einem Obergeschoß aus Fachwerk, Nikolaus genannt. Das Stellwerk wurde im Zuge des Streckenausbaues 1993 abgerissen, ebenso die Toilettenanlage (Retirade), von der auf dem Vorplatz nur noch die Grundmauern zu sehen sind.

Ein Bahnhof, vier Klassen

Der Bahnhof Jasnitz ist einer der wenigen Fürstenbahnhöfe in Mecklenburg. Bei dem Fürstenzimmer, für dessen Bau 11.000 Mark bereitgestellt wurden, handelt es sich im Grunde nur um einen separaten Durchgang. Die Bahn war als Spiegel der damaligen Gesellschaft eingeteilt in 4 Klassen. Für die Höheren Herrschaften hielt die Hamburg-Berliner Bahngesellschaft eigens einen besonderen Salonwagen bereit. „Höhere“ bzw. „Höchste Herrschaften“, so steht es auch in den Plänen des Bahnhofs Jasnitz. Gemeint war damit in erster Linie der Herzog von Mecklenburg.

Der Warteraum 2. Klasse war nach dem Umbau zentral im Bahnhof gelegen, der für die 3. und 4. Klasse lag zwischen diesem und dem Fürstenzimmer. Heute ist die historische Aufteilung durch diverse Umbauten innen nicht mehr erkennbar.

Seit 1910 steht der Bahnhof in der heutigen äußeren Form. Größere Anbauten wurden nicht mehr vorgenommen, sieht man von einer Erweiterung des Lagerschuppens an der Ostseite ab.

Die Republik 1919 brachte das Ende des Fürstenzimmers. Der Eingang zur Bahnseite wurde zugemauert, die hohen Fenster an der Westseite verkleinert und die Räume zu einer Wohnung umgebaut. Weiter Umbauten im Inneren erfolgten, lassen sich aber nicht mehr zeitlich einordnen. Zuletzt wurden die zwei Wohnungen im ersten Stock zu einer zusammengelegt.

2.Weltkrieg und Teilung

Während der Kriegsjahre kam es zu mehreren Angriffen auf Züge, sowohl östlich als auch westlich des Empfangsgebäudes. Herr Bruno Bade, Jasnitz, berichtet von mehreren beschädigten Dampflokomotiven. Westlich und südlich des Bahnhofs schlugen Bomben ein, ohne größeren Schaden anzurichten. Der Bahnhof selbst wurde nicht beschädigt. Allerdings finden sich in den Bäumen um den Bahnhof heute noch Granatsplitter.

Am 3.5.1945 besetzten amerikanische und britische Truppen das Gebiet. Zum 1.7.45 rückten die Sovjets nach. Die Gleise 2 und 4 wurden abgebaut und gingen „zum Ivan“ ( so Bruno Bade).

Die Verbindung Hamburg-Berlin war nach der Teilung Deutschlands Interzonenstrecke und zuletzt nur eingleisig befahren. Die Gleiskarten von 1946 bis 1960 weisen für Jasnitz zwar insgesamt 5 Gleise aus, das entspricht jedoch nicht der damaligen Wirklichkeit. Nach dem Krieg wurden Gleis 2 und 4 abgebaut und als Reparation in die Sowjetunion gebracht. Diese Gleise existierten nur noch auf dem Papier.

Wegen der Lage dicht an der Zonengrenze wird nach dem Krieg kaum investiert. Folglich ist 1972 die Strecke in einem derart schlechten Zustand, dass die Züge nur noch mit maximal 30 km/h fahren können. ( so Detlef Greve) Nur nach und nach werden die alten Eichenschwellen durch Betonschwellen ersetzt. Trotzdem bleibt die Bahn ein Wirtschaftsfaktor.1988 wurden ca. 18.000 Tonnen Güter verladen. 

1996 ist Schluss, der Bahnhof wird dicht gemacht. Frau Karola Greve aus Jasnitz fährt die letzte Schicht im B2-Stellwerk. Die Stellwerkshebel werden vom Eisenbahnmuseum Schwerin abmontiert. (so Karola Greve) Ein Jahr später ziehen die Greves auch privat aus der Wohnung im ersten Stock des Bahnhofs aus. Seither steht er leer

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